RHEIN-NECKAR-ZEITUNG am 17.9.2012
Von Isabelle von Neumann-Cosel
Wie außerordentlich gut es gelingen konnte, ein Stück passgenau auf den besonderen Spielort hin zu entwickeln, stellte Anna Peschkes Stück "Das Kasino" unter Beweis. Im ehemaligen Offizierskasino, wo ein mit Spielkartenmotiven bedeckter Teppichboden und Glitzertapete noch schön schäbigen Glamour-Charme versprühen, spielte Jörn Hentschel den Wundergeiger Paganini als gehetzte Kreatur, die sich zwischen gefeiertem und geschmähtem Tourneestar, Spielsucht und Krankheit förmlich zerreißt. Dazu lieferte die Komponistin Sarah Nemtsov den kongenialen Sound: die Komposition "Poker, Roulette - Musik in 52 Spielkarten für Schlagzeug solo".
Michael Weilacher hatte alle Hände voll zu tun, ein wundersames Instrumentarium zu bedienen, das neben klassischen Schlaginstrumenten etwa eine bespannte Metallfasstrommel, klappernde Würfelbecher und Mobiles aus Jetons umfasst. Anna Peschke, auch verantwortlich für die Bühne, hatte mit einer verschwenderischen Fülle kaputter Geigen den Bogen zu Paganini geschlagen: Geigenkörper wurden zu Rasseln, mit Bindfäden zusammengehaltene Geigenhälse zu Streichinstrumenten. "Das Kasino" ist ein gleichberechtigtes Zusammentreffen von Konzert und Theaterstück - ein besonderes Format und ein Glücksfall für dieses Festival.
DIE RHEINPFALZ 15.9.2012
Nicole Hess
[…] In diesen Räumen zeigte nun der Schauspieler Jörn Hentschel seine Interpretation eines Wahnsinnigen, und er machte das wahnsinnig gut, mit Blicken, reduzierten Gesten, als er sich am Fenster entlanghangelte, aus Angst vor der Bühne, auf der Flucht vor seinen Dämonen. Der Perkussionist Michael Weilacher spielte dazu auf allen möglichen Instrumenten, für die er teilweise Gegenstände des Alltags benutzte. Die Komposition, die Mischung aus schönem Sound und schrägen Klängen, hat Sarah Nemtsov extra für diese Inszenierung geschrieben. Es war dramatisch, wie Wortfetzen und Musikfetzen einander abwechselten.
MANNHEIMER MORGEN 15.9.2012
Martin Vögele
Schauspieler Jörn Hentschel verkörpert formidabel (und nicht ohne Witz) den „Teufelsgeiger“ Niccolò Paganini als fiebrig glühende, zwischen Selbstverehrung und Furor über Schmähungen lavierende, vom Geigen- und Glücksspiel gleichermaßen besessene Seele.
Man muss anerkennen, dass Peschke und Nemtsov bei „Das Kasino“ ein ausgeklügeltes System spielen: Es ist, als nähmen die Dämonen, die Paganini plagen, akustische Gestalt an; dabei werden zudem fließende Übergänge zwischen Glücksspiel-Klängen (etwa durch im Blecheimer geschüttelte Würfel oder das klackernde Rollen von Roulette-Kugeln) und konventionellem Schlagwerk geschaffen. „Das Kasino“ gerät mithin zu einem durchaus eindrucksvollen Parforceritt durch die ganz persönliche (Spiel-)Hölle des Meistergeigers.