Zuckerbrot und Peitsche
Mannheimer Morgen am 26.11.2011
Von Dennis Baranski

„Das ist kein demokratischer Raum“, erklärt der junge Mann freundlich aber bestimmt und erstickt allen Missmut über die nicht frei wählbaren Plätze im Keim. Es ist eine kleine, doch nachhaltige Erfahrung von Zwang, die das Double- Feature des Theater Felina Areal und Künstlerhauses Zeitraumexit eröffnet: Anna Peschke und Susanne Zaun nähern sich mit ihren Produktionen der bisweilen zweifelhaften Aufarbeitung des Nationalsozialismus durch das Medium Film.
Über den gesamten Bühnenraum des Theater Felina Areal sind kurze Stuhlreihen verteilt, wird das Publikum zum Teil von „Ilsas Garten“. Gemessenen Schrittes schreitet Performerin Anna Peschke umher, der eindringliche Takt ihrer Stiefel generiert die gebotene Ehrfurcht, und geht routiniert ihrem grausamen Handwerk nach. NS-Schergin Ilsa aus Don Edmonds gleichnamigem Exploitationsfilm inspirierte die Künstlerin zu ihrem beeindruckenden Spiel mit dem Verhältnis zwischen Faschismus und Erotik.

Entwaffnend präsent
Völlig entmenschlicht tritt die Uniformierte auf, unnahbar und kühl, und wird zum Sinnbild einer klischeebesetzten Sado-Maso-Fantasie – mit einer Peitsche bewehrt, gelingt es Peschke entwaffnend präsent, durch mechanische, aber gleichsam laszive Bewegungsabläufe das sadistische Monster zu erotisieren. Dabei überhöhen behutsam eingestreute Gesangseinlagen zeitgenössischer Chansons und Propagandalieder (Klavier: Christoph Wirth) die Figur zu einer begehrenswerten Grande Dame. Man mag sie nicht, hat beinahe Angst vor ihr – und schmilzt dahin. Kleinteilig erarbeitet die präzise Inszenierung den Erosionsprozess Ilsas, die sich letztlich schutzlos den voyeuristischen Blicken ausliefert und voller Scham im Tode vergeht.

24.6.2012 Kattowice (Polen)
Gazeta Wyborcza's extra Co Jest Grane
So schmeckt das Hakenkreuz
Anna Peschkes „Ilsas Garten“ ist die Ausbeutung des popkulturellen Bildes der Nazi-Frau. Einer der Schlüssel-Elemente war ein Hakenkreuz-förmiger Kuchen, der an die Zuschauer verteilt wurde – essen oder nicht?
Die Performance ist provozierend aber nicht billig. Anna Peschkes suggestives Monodrama ist eines der stärksten Arbeiten dieses Jahr beim Festival A PART. Ohne viele Worte – nur die Texte der leichten Cabaret-Lieder über Liebe, die auch ohne große Deutschkenntnisse verstanden werden. Alles andere war mit Schweigen bedeckt. Aber die Künstlerin mußte nicht erklären, wer diese sich ständig verändernde Nazi-Frau ist. Ihr Schauspielern war genug. Sie ist ein Sadist, ein Vamp, ein einfaches Mädchen.